Neuerungen bei der Wegzugsbesteuerung nach §6 AStG (Außensteuergesetz) ab 2022:

Durch das sog. ATAD-Umsetzungsgesetz wurde § 6 AStG überarbeitet. Die Überarbeitung betrifft insbesondere die bis 2021 geltenden Stundungsregelungen für EU-/EWR-Fälle. Die bisherige Besserstellung für EU-/EWR-Fällen wird gegen eine sog. „One-fits-all“-Lösung ersetzt, die somit für alle Wegzugsfälle (auch Drittlandsfälle) gleichermaßen gilt. In allen Fällen der Wegzugsbesteuerung kommt es somit zukünftig, also ab dem Veranlagungszeitpunkt 2022, zu einer Stundungsmöglichkeit mit sieben jährlichen Ratenzahlung samt Sicherheitsleistung. Dies bedeutet, dass Steuerpflichtige, die inländische Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Hauptanwendungsfall) halten und über einen Wegzug ins Ausland nachdenken, in Zukunft mit einer entsprechenden jährlichen Steuerbelastung zu planen haben.

Allerdings wird hier auf die sog. Rückkehrregelung des § 6 Abs. 3 AStG verwiesen, wonach für einen nur vorübergehenden Wegzug aus Deutschland von maximal sieben Jahren (unter Beachtung einer einmaligen Option auf Verlängerung um fünf Jahre) der Steueranspruch entfällt, soweit die Person des Wegziehenden wieder in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig wird. Diese Regelung ist insbesondere in Fällen einer nur befristeten beruflichen Versetzung ins Ausland oder beispielsweise bei der Absolvierung eines Studiums im Ausland relevant. Wichtig hierbei ist eine vereinfachte Beweis- bzw. Dokumentationslage.

Steuerliche Folgen des Wegzugs:
Als Folge der Wegzugsbesteuerung ergibt sich eine fiktive Veräußerung einer GmbH-Beteiligung zum gemeinen (tatsächlichen) Wert. Die Besteuerung erfolgt im Zeitpunkt der Aufgabe des inländischen Wohnsitzes (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. AStG). Unter Berücksichtigung des sog. Teileinkünfteverfahrens wäre ein fiktiver Veräußerungsgewinn (Annahme 10.000 EUR) im Ergebnis zu lediglich 40 % von der Steuer befreit. Die anderen 60 % würden dem progressiven Tarif des § 32a Abs. 1 EStG unterliegen. Bei einem unterstellten Steuersatz von 50 % würden sich demnach 3.000 EUR Steuerlast ergeben, ohne dass es zu einem Zufluss eines Veräußerungserlöses gekommen ist. Sollte der Wegziehende zur Begleichung der Steuerlast eine Gewinnausschüttung vornehmen wollen bzw. müssen, würde eine weitere Steuerbelastung in Gestalt einer Kapitalertragsteuer i. H. von 25 % realisiert. Daraus würde sich eine zusätzliche Steuerbelastung von 1.000 EUR ergeben. Im Gesamtergebnis würden 40 % des Wertes der GmbH Beteiligung alleine durch die Tatsache des Wegzugs ins Ausland „aufgebraucht“.

Vermeidungsstrategie:
Besonders beliebtes Vermeidungsinstrument in der steuerlichen Beratungspraxis ist die Zwischenschaltung einer in Deutschland gewerblich tätigen Kommanditgesellschaft (KG), die abkommensrechtlich Unternehmensgewinne vermittelt und somit auch eine inländische Betriebsstätte besitzt. Es genügt dabei nicht, dass die Gewerblichkeit lediglich über eine gewerbliche Prägung nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG angenommen wird. Es besteht die Notwendigkeit einer originären (echten) gewerbliche Tätigkeit gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG im Sinne einer selbständigen und nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Die Tätigkeit selbst darf weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit oder als Vermögensverwaltung anzusehen sein. Im Rahmen einer solchen Gestaltung sind demnach sämtliche relevanten Umstände zu berücksichtigen, die für eine Beurteilung der Gewerblichkeit der KG relevant sein können (z.B. Geschäftsführung, Bilanz, Kostenstruktur, tatsächliche Ausgaben, Beschäftigungsstruktur, Büro- oder Geschäftsräume, sowie die entsprechende Ausstattung).

Ergebnis:
Es ist fraglos, dass die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung zum Jahreswechsel 2021/2022 eine deutliche Verschärfung erfahren. Die Ausführungen zeigen jedoch eine nach wie vor geeignete Möglichkeit zur Vermeidung einer drohenden Besteuerung. Mit Implementierung der beschriebenen KG vermeidet man zum einen die direkten negativen steuerlichen Folgen bei einem Wegzug ins Ausland und zum anderen ist diese Gestaltung auch ein geeignetes Mittel für eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Planung in Bezug auf die persönliche Mobilität bzw. Flexibilität des Wegziehenden.

Sollten Sie entsprechende Pläne für einen Wegzug ins Ausland haben und halten Sie gleichzeitig Anteile an einer oder mehrerer Kapitalgesellschaften, empfehlen wir die steuerliche Situation frühzeitig ins Visier zu nehmen, um steuerlich Überraschungen, die meist negativ Auswirkungen beschreiben, zu vermeiden.

Patrick Heinold
Steuerberater und Partner

zurück