Umsatzsteuerbefreiung von Leistungen selbständiger Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder für Zweck der gemeinwohlorientierten Leitungserbringung

Zum 01.01.2022 wurde bereits in § 4 Nr. 29 Umsatzsteuergesetz (UStG) eine Steuerbefreiung für sonstige Leistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke ihrer dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren oder ihrer nach § 4 Nr. 11 b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 steuerfreien Umsätze eingeführt.

Bei einem Personenzusammenschluss handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Personen (Mitglieder) zur Erreichung eines gemeinsamen wirtschaftlichen Ziels, z. B. der Erbringung von Dienstleistungen. Bei dem Personenzusammenschluss im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG muss es sich um einen eigenständigen (selbständigen) Steuerpflichtigen handeln, der Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG ist. Der Begriff des Zusammenschlusses erfordert, dass sich dabei mindestens zwei Mitglieder zusammenschließen; eine bloße Vereinbarung zur Kostenteilung unter mehreren Unternehmern bzw. Nichtunternehmern (sog. Aufwandpool) genügt nicht.

Als Personenzusammenschlüsse im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG kommen deshalb Personen- und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und Vereine, Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaften nach dem WEG oder am Rechtsverkehr teilnehmende Bruchteilsgemeinschaften in Betracht. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung können dies auch Zweckverbände, Berufsverbände, Anstalten des öffentlichen Rechts und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR), nicht jedoch Stiftungen sein.

Durch die Begünstigung von Personenzusammenschlüssen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit ausüben, ist die Steuerbefreiung grundsätzlich auch auf Zusammenarbeitsformen im Bereich der öffentlichen Hand (z. B. durch Gebietskörperschaften, Hochschulen, Sozialversicherung) anwendbar.

Bei dem die Leistung empfangenden Mitglied muss es sich um eine Person handeln, die insoweit dem Gemeinwohl dienende nicht steuerbare Leistungen oder steuerfreie Leistungen der in § 4 Nr. 11 b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 UStG bezeichneten Art erbringt.

Dazu gehören insbesondere:
• Heilberufliche Leistungen, Leistungen der Krankenhäuser, Reha- und Pflegeeinrichtungen, Hospize, Betreuungsleistungen für Hilfsbedürftiger, Sozialfürsorge
• Leistungen im Bereich Kunst und Kultur, Bildung, kulturelle, wissenschaftliche, bildende, sportliche Veranstaltungen gemeinnütziger Einrichtungen, Leistungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
• Gestellung von Personal durch religiöse oder weltanschauliche Einrichtungen

Zu den dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren Leistungen im Sinne des § 4 Nr. 29 UStG gehören u. a. die nach den §§ 2, 2b UStG nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Kommunen, der Länder und des Bundes, soweit diese z. B. ihre vom Landes- oder Bundesrecht zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Ferner gehören zu den dem Gemeinwohl dienenden nicht steuerbaren Tätigkeiten die nicht unternehmerischen Tätigkeiten der Religionsgemeinschaften, insbesondere die Erfüllung des Verkündigungsauftrags.

Die von einem Personenzusammenschluss an das jeweilige Mitglied erbrachte sonstige Leistung muss beim Mitglied zur Ausführung der begünstigten Zwecke unmittelbar verwendet werden. Die Befreiung kommt also nur zur Anwendung, wenn die Leistung unmittelbar zu den vorstehend genannten dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten beiträgt und zu diesem Zweck eingesetzt wird.

Dies ist beispielsweise der Fall,
• wenn ärztliche Praxis- und Apparategemeinschaften medizinische Einrichtungen, Apparate und Geräte zentral beschaffen und ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt,
• wenn Praxis- und Apparategemeinschaften Laboruntersuchungen, Röntgenuntersuchungen und andere medizinisch-technische Leistungen für ihre Mitglieder ausführen (bisher nach § 4 Nr. 14),
• wenn durch den Zusammenschluss IT-Infrastruktur, die auf die Bedürfnisse der Mitglieder zugeschnitten ist, bereitgestellt und ihr Betrieb, die Betreuung oder die diesbezügliche Administration übernommen wird; dies umfasst auch Leistungen zum Zwecke von IT-Sicherheit und des Datenschutzes.

Allgemeine Verwaltungsleistungen fallen hingegen nicht unter die Befreiung, weil sie diese allenfalls fördern.
Allgemeine Verwaltungsleistungen in diesem Sinne sind beispielsweise:

• Buchführung
• Eingabe und Pflege von Stammdaten/Stammsätzen oder Bestandsdaten
• Tätigkeiten bei Erstellung und Verarbeitung von Rechnungen (z. B. Rechnungs- und Rezeptprüfungen)
• Rechtsberatung
• Tätigkeiten im Supportbereich (z. B. Backoffice-Tätigkeiten, Telefonzentrale, Fahrbereitschaft, Ablage- und Registrierungstätigkeiten)
• allgemeine Reinigungs- und Verpflegungsleistungen
• allgemeine Aufgaben im Bereich von Organisation, Personalwesen/-gestellung, Vertrieb
• Raumüberlassung.

Die Befreiung kann nicht angewandt werden, wenn dadurch anderen Marktteilnehmern, die gleichartige steuerpflichtige Leistungen erbringen, ein Wettbewerbsnachteil entsteht. Daher darf die Befreiung des Personenzusammenschlusses als solche nicht geeignet oder darauf angelegt sein, mit der Erbringung befreiter Leistungen Umstände im Marktgeschehen herbeizuführen, die eine Wettbewerbsverzerrung hervorrufen können.

Weiterhin setzt die Steuerbefreiung voraus, dass das für die Leistung vereinbarte und entrichtete Entgelt lediglich in einem genauen Kostenersatz besteht. Sämtliche Kosten, die der Zusammenschluss im Interesse der Mitglieder trägt, sind umlagefähig; dazu gehören Sach- und Personalkosten sowie externe Finanzierungskosten. Eine genaue Erstattung der anfallenden Kosten liegt vor, wenn der Personenzusammenschluss seinen Mitgliedern die Leistungen zu Selbstkosten anbietet bzw. ihm nur die tatsächlich anfallenden Kosten erstattet werden und das jeweilige Mitglied den auf seinen Anteil entfallenden Betrag an den Gesamtkosten trägt. Der Personenzusammenschluss soll daher weder einen Gewinn erzielen noch die Absicht hierzu haben. Sofern gleichwohl Überschüsse erzielt werden, z. B. aus einer jährlichen Umlage, ist dies unschädlich, wenn diese Überschüsse ausschließlich dazu bestimmt sind, der Finanzierung künftiger Investitionen zu dienen.

Vegard Maisenbacher, LL.M.
Steuerberater und Partner

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